Zwischen Lust und Schwermut
Begeistertes Publikum beim zweiten Konzert der Reihe „Nachtwachen“

Vreden. Es beginnt mit Seufzen, über den Boden schabenden Schritten, und einer rhythmischen Figur. Die Rezitatorin Sibylle Bertsch und die drei Jazzmusiker Alex Morsey, Martin Scholz und Ben Bönniger tauchen langsam aus der Dunkelheit des Kirchenraumes auf und betreten, bereits mittendrin in ihrer musikalischen Spur, die Fläche vor dem Altar.

„Sinnliches Erlebnis“

Am Freitag wurde die Stiftskirche in Vreden wieder zu einem Kulturraum. „Nacht: Stunde der Unterwelt“ hatten die Veranstalter – Kirchengemeinde St. Georg, Stadt Vreden, aktuelles forum VHS – den Abend überschrieben.

Die von Sibylle Bertsch ausgesuchten Texte (u.a. von Charles Baudelaire, Georg Büchner, Joachim Ringelnatz und Friedrich Nietzsche) zeigten die Nacht als Zeit der gesteigerten sinnlichen Wahrnehmung, der unerfüllten Sehnsucht, der Lust und der Depression. Bertsch fand für jeden Text das passende Register, vertraute auf die der Sprache innewohnende Musikalität, setzte dramatische Akzente sparsam, aber sehr wirkungsvoll. „Für Sibylle Bertsch war die Kombination aus Text und Jazzmusik heute eine Premiere. Angemerkt hatte man ihr das aber nicht“, so Hubert Krandick von der Stadt Vreden.

Die drei Jazzer spielten sich mit sichtlichem Vergnügen ihre melodischen und rhythmischen Bälle zu. Ben Bönniger betätigte am Boden kauernd seine Drums, Becken und weitere Percussionsinstrumente, untermalte sanft mit reibenden Besen, setzte aber ebenso knallige Momente von hoher Energie.
Martin Scholz rollte an den Keyboards die harmonischen Teppiche aus, die in jedem Stück des Programms anders gewebt waren. Als Arrangeur und Multiinstrumentalist kam Alex Morsey an diesem Abend eine tragende Rolle zu. Sein Hauptinstrument ist der Kontrabass, aber mit Tuba Horn und Nasenflöte ist er ebenso vertraut.
„Die Veranstaltung war ein voller Erfolg. Die Musiker bekamen nach jedem Stück reichlich Beifall“, bemerkte Krandick. 400 Jahre alte Musik in verblüffend neuem Gewand: eine bezaubernde Nachtmusik.

Münsterlandzeitung (MS Vreden) 18.November 2014