Es ist eine alte literarische Tradition, historische Figuren in Gedankenspielen neu zu interpretieren. Claudio Magris hat den uralten Mythos neu erfunden. Eurydike ist es, die tot geglaubte, die den Hergang des Dramas aus ihrer Sicht in einem temperamentvollen, einfühlsamen Monolog schildert. Wir erfahren von dort wo die Zeit aufgehoben ist, aus dem „Heim“ wie sie es nennt, was sie über die große Liebe ihres Lebens und ihr Dasein im Heim, „der Residenz auf der anderen Seite des Spiegels“ zu sagen hat. Diese neue Perspektive ist durchaus überraschend. Der Autor schreibt die eindrucksvolle Geschichte in einer ganz neuzeitlichen Version. Seine Erzählung bewegt sich zwischen Leichtigkeit und Tragik, zwischen dem Alltag eines ganz gewöhnlichen Ehelebens und dem großem Drama des Daseins.
Die Geschichte von Claudio Magris ist eine literarische Kostbarkeit, die nach anfänglich großer Beachtung, leider selten von Veranstaltern und Theatern in Deutschland aufgegriffen wurde. Auch die Übersetzung ist ein Kunstwerk und so wünscht man, dass dieses Werk noch einmal entdeckt wird. Das Italienische Kulturinstitut Berlin und die Universität Leipzig haben 2017 wieder auf Claudio Magris aufmerksam gemacht, der wie kaum ein anderer ein wahrhafter Europäer genannt werden darf.
Claudio Magris, 1939 in Triest geboren, studierte Germanistik in Turin und Freiburg. Von 1978 bis zu seiner Emeritierung 2006 war er Professor für Deutsche Sprache und Literatur in Triest. Der Monolog der Eurydike „Verstehen Sie mich bitte recht“ , ist zunächst in Italien unter dem Titel „Lei dunque capirà“ erschienen, bevor es im Hanser Verlag, übersetzt von Ragni Maria Gschwend, 2009 in deutscher Sprache herausgegeben wurde.
Es liest für Sie: Sibylle Bertsch