Glückwünsche zum 250.ten Geburtstag, Hölderlin!
Das passt wieder – wer immer den Geburtstag 2020 für dich ausrichten wollte, musste ihn absagen, die Pandemie des Corona-Virus verlangt den Rückzug.
Den Rückzug ins Innerste kanntest du aber besser als jeder andere.
Viele haben über dich geschrieben und geforscht, wenige kennen heute noch deine Verse, die sich mit Mühe lernen lassen. Aber den meisten ist bekannt, dass du 37 Jahre lang im kleinen Turmzimmer der ehemaligen Stadtmauer von Tübingen, direkt am Neckar, schwer erkrankt, verbracht hast. Einsam und auf Hilfe angewiesen.
Ich glaube, du hattest zu keiner Zeit ein glückliches Leben – allein schon die Nähe zum Glück, die Aussicht, dass auch du einmal etwas davon zu fassen bekommen solltest, ließ dich übervolle Empfindungen in Worte verwandeln, bevor alles sich wieder auflöste, sich gegen dich selbst kehrte, und dich ärmer und einsamer zurück ließ als je zuvor.
Ein schwer leidender, der doch den Willen zum Kämpfen und Siegen hatte. Es konnte nicht gelingen, denn deine Idee und Vorstellung von einer erreichbaren ideal-glücklichen Welt war zu groß, deine Sprache zu einzigartig. Sprache als Zustand.
In Tübingen warst du nicht allein – die jungen Dichter liebten und verehrten dich, als du schon keinen Wert mehr darin gesehen hast, Anerkennung von ihnen zu erlangen.
Später haben viele nach dir gegriffen und versucht, dich zu instrumentalisieren – was nie auf Dauer gelang.
Du warst nie in Griechenland und dennoch kanntest du nicht nur die alte Sprache, sondern jede Quelle, jeden Baum, jeden Gott, wusstest um Feldherren und Kämpfe – und hast dabei eine innere Landschaft geschaffen, die uns an Tagen wie heute, wo wir im Land und im Haus bleiben müssen, eine weite Reise ersetzen kann. Doch bei dir wird nur belohnt, wer sich ganz einläßt – einmal durchlesen genügt nicht. Sprache als Zustand und Übersetzung in sinnliche Erfahrung, als hohe Empfindung und tiefe Niederlage – diese Sprache lässt sich nicht so einfach ablesen.
Meist wird „Hyperion“ oder „Hälfte des Lebens“ als bekannt zitiert. Ich erinnere heute an ein Werk, das ich auf Anregung eines Freunds hin gelesen habe: „Der Archipelagus“. Das Wort ist fremd und bezeichnet die Ägäis als allumspannende Gottheit, aus Wasser und Luft, Land, Himmel und Sternen, aus Liebe und Sehnsucht nach friedvoller Vollkommenheit, als Dauer und Zeit. – Ein Land, das aus Schrecken und Verwüstung des Krieges, Kraft der Gottheit der ewigen Natur neu erstand.
Kann man ein solches Gedicht heute noch anbieten? Unserer ungeduldigen Wesensart ohne Anleitung und Hilfe sicher nicht. Wir denken oft ergebnisorientiert, eng schnell und schmal. Sind wir aber, vielleicht mit Hilfe, erst einmal ins Freie und Offene gelangt, können wir, wie von einem sehr hohen Bergesgipfel die Schönheit der geistreichen Möglichkeiten erfassen.
Den Anfang, der wie eine Hymne auf die Väterliche Güte und Schönheit Gottes klingt, stelle ich, heute am 250.ten Geburtstag für alle in den Blog.
Leider gelingt es mir nicht, das Versmaß in diese Maske zu übertragen…
Winter und Kämpfe sind vorüber. Der Dichter steht im Frühling am Ufer des insel-reichen Meeres und es bilden sich die Gedanken:
Kehren die Kraniche wieder zu dir, und suchen zu deinen/ Ufern wieder die Schiffe den Lauf? umathmen erwünschte/ Lüfte dir die beruhigte Fluth, und sonnet der Delphin,/ Aus der Tiefe gelockt, am neuen Lichte den Rücken? / Blüht Ionien? ists die Zeit? denn immer im Frühling,/ Wenn den Lebenden sich das Herz erneut und die erste/ Liebe den Menschen erwacht und goldner Zeiten Erinnrung,/ Komm ich zu dir und grüß‘ in deiner Stille dich, Alter!/
Immer, Gewaltiger! lebst du noch und ruhest im Schatten / Deiner Berge, wie sonst; mit Jünglingsarmen umfängst du/ Noch dein liebliches Land, und deiner Töchter, o Vater!/ Deiner Inseln ist noch, der blühenden, keine verloren./ Kreta steht und Salamis grünt, umdämmert von Lorbeern,/ Rings von Strahlen umblüht, erhebt zur Stunde des Aufgangs/ Delos ihr begeistertes Haupt, und Tenos und Chios/ Haben der purpurnen Früchte genug, von trunkenen Hügeln/ Quillt der Cypriertrank, und von Kalauria fallen/ Silberne Bäche, wie einst, in die alten Wasser des Vaters./ Alle leben sie noch, die Heroenmütter, die Inseln,/ Blühend von Jahr zu Jahr, und wenn zu Zeiten, vom Abgrund/ Losgelassen, die Flamme der Nacht, das untre Gewitter/ Eine der holden ergriff, und die Sterbende dir in den/ Schoos/sank,Göttlicher! du, du dauertest aus, denn über den dunkeln/ Tiefen ist manches schon dir auf und untergegangen.